Von Stadtfrust und Landflucht

Björn lag auf dem Bett und starrte nachdenklich die Decke an. “Worüber grübelst du?”, fragte ich als ich ihn so daliegen sah. “Meinst du, es ist eine gute Idee, mit Goslar und dem Haus?” Ich verdrehte die Augen und legte mich neben ihn aufs Bett. Ich schaute ihn von der Seite an. “Er ist so süß, wenn er sich Sorgen macht.” “Haben wir es mit der Kaufzusage vielleicht überstürzt?”, unterbrach er meine Gedanken. “Ach, Björn”, erwiderte ich, “ich weiß, geplant haben wir es nicht und der Zeitpunkt ist vielleicht nicht der idealste, aber wir beschweren uns täglich über die rauchenden Nachbarn und dass wir nicht genug Platz haben und wie schön doch vier Zimmer wären, mit einem Arbeitszimmer für dich und für mich und einem Extrazimmer für Unvorhergesehenes”, sagte ich und zwinkerte ihm zu, “Du müsstest nicht direkt neben dem Bett arbeiten und ich nicht im Wohnzimmer neben dem Fernseher. Außerdem hätten wir endlich genug Stauraum für all unsere Sachen.” “Wir können ja einige Sachen verkaufen oder verschenken. Ich wollte doch eh wieder etwas minimalistischer leben, wie damals in der WG, als ich nur noch mein Bett und die Kleiderstange im Zimmer stehen hatte.”, als er das sagte, schaute er mich eindringlich an. “Hallo? Ich liebe meine Sachen!”, erwiderte ich harsch. Ich wusste genau, dass er meine herumfliegenden Schuhe und Taschen meinte und die Kleidung, die unter dem Bett lagert und die mir zugegebenermaßen schon seit einigen Jahren nicht mehr passt. Aber, was nicht ist, kann ja noch werden. Ich sage euch, es wird nicht mehr lange dauern. Ich fange gleich am 1. des Monats an.

Nachdem ich ihn etwas beruhigt hatte, dachte ich selber darüber nach, ob der Hauskauf eine gute Entscheidung sei. Rational betrachtet, sprachen viele Gründe dafür. Wir haben seit einiger Weile den Immobilienmarkt in Hannover gescannt und mussten jedes mal entrüstet feststellen, dass die Mieten exorbitant hoch sind und die Kaufpreise für ein junges Paar unerschwinglich. Ein befreundetes Pärchen hat uns erst vor Kurzem eröffnet, dass es sich ein Reihenmittelhaus am Stadtrand für sage und schreibe 450.000€ kauft. Die beiden wirkten dabei so glücklich und ich dachte nur, na herzlichen Glückwunsch. Jetzt heißt es, die nächsten 35 Jahre den Gürtel enger schnallen und das war’s wohl mit spontanen Shoppingtouren und dem Traum von der Luxusmarken Handtaschensammlung. Im Vergleich zum Haus unserer Freunde, ist unser Häusle ein richtiges Schnäppchen. Finanziell betrachtet, spricht nichts dagegen. Es ist sogar eine sehr gute Investition und wir wären verrückt das Angebot abzulehnen. Was mir aber ein flaues Gefühl bereitet, ist der Umuzug in eine Kleinstadt. Nein, genauer betrachtet, ist Goslar eine mittelgroße Stadt und keine Kleinstadt, aber nichtsdestotrotz pocht in meinem Kopf die Frage: “Werde ich in einer Kleinstadt (über-)leben können?”

Wie viele andere bin ich in meinen Zwanzigern aus meiner kleinen und beschaulchen Heimatstadt in die nächstgelegene größere Stadt fürs Studium gezogen. Ich konnte es kaum erwarten, die Vorzüge der Großstadt zu genießen, wie die gute Infrastruktur, die unzähligen Einkaufsmöglichkeiten und das studentische Nachtleben. Die Stadt forderte mich heraus und stärkte mein Selbstbewusstsein. Ich denke, mit Anfang zwanzig ist man in der Lebensphase, in der man raus will, in der man mehr will, in der man einfach keine Grenzen will. Damals habe ich mir nicht vorstellen können jemals wieder zurück in eine Kleinstadt zu ziehen und so ging es immer weiter in die nächstgrößere Stadt, bis ich nun am Ende vor der Entscheidung stehe zurück in die Kleinstadt zu gehen. Mit Anfang dreißig und in einer festen Beziehung sieht das Leben schon ganz anders aus.

Hier kannst du mich auf meinem Weg in die Kleinstadt begleiten. Ich freue mich auch immer über Kommentare mit hilfreichen Tipps und Tricks für das Kleinstadtleben. Und wer weiß, vielleicht inspiriert mein Tagebuch den/die ein/e oder andere/n dazu, auch in eine Kleinstadt zu ziehen.

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